Schulpartnerschaft überwindet Grenzen!

Kinderheim

„Der jahrelange Bürgerkrieg in Nepal hat die Lebensbedingungen für viele Kinder nochmals drastisch verschärft: Die Eltern sind gestorben, verschwunden, geflüchtet oder leben in völliger Armut. Die Kinder werden – wenn sie Glück haben – von überforderten Verwandten aufgenommen oder landen auf der Straße, auf das Höchste gefährdet, in verschiedensten Formen missbraucht zu werden. Der Handel mit Kindern blüht. Menschliche Wärme, Schutz, ausreichende und gesunde Ernährung sowie Schulbildung sind meist unerreichbare Träume […]“

Diese wenigen Zeilen, entnommen aus dem aktuellen Flyer von „Lost Children“, erschüttern zutiefst. Aber leider sind sie wahr: Kinder, die „übrig“ sind, werden aus sozialer Not an Schlepper verkauft. Mädchen landen meist in der Prostitution, Jungen in Kinderbanden. Selbst der Organhandel ist ein Thema. Im Flyer erfährt der Leser jedoch auch von der bemerkenswerten Geschichte Hira Maharjans, einem nepalesischen Geschäftsmann. Seine Frau hatte ihn aufgefordert, etwas für sein Karma zu tun, woraufhin er im Frühjahr 2008 16 Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren ein neues Zuhause in seinem eigenen Haus gab. Da das Ehepaar diese spontane Hilfsaktion aber auf Dauer nicht finanzieren konnte, baten sie Brigitta Kröger, die Frau von Willi (unser Architekt) um Hilfe. An dieser Stelle kommt unsere Schülerfirma ins Spiel.

2008 hatten wir die beiden das erste Mal in Kathmandu besucht und um Hilfe für den Schulerweiterungsbau in Gati gebeten. Brigitta erzählte uns von Hira und seiner Geschichte. Gemeinsam mit Hira hatte Brigitta das „Spark Children Home“ in Patan gegründet, ein Kinderheim für die verlorenen Kinder Nepals. Diesmal benötigte Brigitta unsere Hilfe und wir wollten unbedingt das Kinderheim besuchen. Wir waren beeindruckt vom Einsatz des Ehepaares Maharjan und ihren Freunden. Das bisher Erreichte und die Visionen für die Zukunft haben uns begeistert. Die einstigen Straßenkinder haben hier ein liebevolles Zuhause gefunden, wo sie nicht nur mit Nahrung versorgt werden, sondern auch eine Schule besuchen können. Hira zeigte uns die offene Küche und das unfertige Dachgeschoss. Für die Küche wurde eine alternative Lösung gesucht und das Dachgeschoss sollte für einen großen Gemeinschaftsraum ausgebaut werden. Des Weiteren reichte das Trinkwasserangebot nicht mehr aus. Wir vereinbarten, dass uns Hira einen Plan und die Kostenkalkulation schickt.
Wieder in Freiberg angekommen fanden wir alle notwendigen Informationen vor und entschieden, wir wollen helfen! Für die erforderlichen Maßnahmen überwiesen wir im November 2009 rund 3000,00 Euro.

Im Oktober 2010 haben sich die Schüler von den Ergebnissen selbst überzeugen können. Hira hatte Wort gehalten. Die Küche war „winterfest“, es gab eine neue Wasserleitung und einen großen Gemeinschaftsraum in der obersten Etage des Hauses (vorher das Dach). Wir stellten viele Fragen und andere Probleme wurden offensichtlich. Hira und die Mitglieder des neu gegründeten Vereins für das Kinderheim stehen Monat für Monat vor dem Problem, mit dem wenigen, zur Verfügung stehenden Geld die Rechnungen nicht zahlen zu können. Vor allem die Lebensmittel und die Betriebskosten des Hauses sind die größten Ausgaben am Monatsende. Wir wollten ab 2011 einen Teil der Kosten übernehmen – unsere Bedingung: eine transparente Buchführung.

2011 Hira konnte sich mit den Vorgaben einer „deutschen Buchführung“ noch nicht so richtig anfreunden. Dann ging für nepalesische Verhältnisse doch alles recht schnell. Mangal, unser erster Projektmanager, wollte mehr Zeit bei seiner Familie in Kathmandu verbringen und kündigte seinen Job bei uns. Wir kannten seine Fähigkeiten und schlugen vor, dass Mangal sich um die Finanzen des Kinderheimes kümmern könnte. Mit dem bereits vorliegenden geprüften Jahresabschluss nach nep. Kalender vom 17.7.2010 bis 16.7.2011 und der Ergänzung bis Ende Dezember 2011 ist dann auch die Umstellung auf unser Kalenderjahr erfolgt. Mangal schickte uns die zusammengefasste Buchhaltung 2011 und wir finanzierten seine Tätigkeit mit 520,00 Euro.

2012 Mangal wird vom Verein als Heimleiter angestellt. Die Kinder entwickeln sich prächtig und gehören zu den Besten in der Schule. Es gibt eine Köchin und Suraj, ein Student, lebt mit im Haus. Mangal koordiniert den Einsatz der Volontäre. So wird auch am Nachmittag im Kinderheim Englisch gesprochen. Das Spendenaufkommen für das Kinderheim betrug ca. 14.000,00 Euro. Allein Hira stellte 2.000,00 Euro zur Verfügung. Der Kailash e.V. von Willi und Brigitta trug 4.000,00 Euro der Kosten und unser Anteil bei der Gesamtfinanzierung lag bei ca. 37 Prozent.


Interview mit Hira, geführt von Brigitta Kröger… 

Magst Du etwas zu Deiner Kindheit erzählen, über Deinen Hintergrund und wie Du aufgewachsen bist?

Ich war sehr klein, als ich meinen Vater verlor, ich kann mich noch nicht einmal mehr an sein Gesicht erinnern. Mein Vater starb, weil ein Hund ihn gebissen hatte. Zu dieser Zeit gab es keine Medikamente. Wir waren eine Bauernfamilie. Die Bauern arbeiteten auf den Feldern von anderen, mussten siebzig Prozent von dem abgeben, das sie ernteten. Meine Mutter bewirtschaftete ein schmales Feld. Das war für uns nicht genug, um zu überleben. Wir waren sieben Kinder, zwei davon starben, weil meine Mutter sie alleine ernähren musste. Sie bekam dabei keine Hilfe, im Gegenteil, meine Brüder haben viel getrunken und sie schlecht behandelt. Ich war der zweitkleinste von allen. Meine Mutter arbeitete hart auf dem Feld, nebenbei hat sie in einer Ziegelfabrik gearbeitet, um zusätzlich ein wenig Geld zu verdienen. Trotz allem schickte meine Mutter mich zur Schule, obwohl deshalb nicht genug zu Essen da war. Ich hatte oft Hunger und sie weinte. Mein großer Bruder studierte sogar Ingenieur in Kalkutta, er hat sich um die Familie gekümmert, aber auch er starb früh. Vorher hatte er eine Schule eröffnet, um Kindern zu helfen, aber dann kam er ums Leben. Einmal wurde meine Mutter sehr krank, wir mussten uns Geld leihen, um sie zum Doktor zu bringen. Ich liebe meine Mutter sehr, sie hat alles für mich getan. Sie war ein gutes Vorbild…. Ich weiß wirklich, wie es ist, seine Eltern zu verlieren. (Er weint sehr, wir machen eine Pause.)

Dann kommen wir doch auf den Beginn vom Kinderheim zu sprechen, wo hast Du die Kinder gefunden?

Ich hatte einen Freund in Patan, mit ihm habe ich meist nur über geschäftliche Dinge gesprochen. Eigentlich war er kein Freund, nur ein Geschäftsmann, den ich kannte. Eines Tages erzählte er mir, dass er Kinder aufgenommen hatte, 19 zu der Zeit, die er in einem gemieteten Haus untergebracht hatte. Die Miete war so teuer, dass er für die Kinder und ihre Versorgung gar kein Geld mehr hatte. Eines Tages sprach er mich an und bat um Hilfe. Ich selber weiß nicht, wie er zu diesen Kinder kam. Ich denke, dass er kein guter Mann ist und keine gute Absicht dahinter steckte. Er hatte hundertprozentig nur die Idee, Gewinn zu machen und das Geschäft schien nicht genug Profit abzuwerfen. Er kannte sich ja auch gar nicht aus und wollte einfach Geld verdienen. In Kathmandu läuft vieles so, in vielen Heimen kümmert man sich nicht um die Kinder.
Der besagte Bekannte hatte den Verwandten versprochen, dass ihre Kinder in die Schule dürfen und eine höhere Ausbildung bekommen, aber in Wahrheit hat er sie nur eingeschlossen. Er erzählte mir, er kann die Miete für das Haus nicht bezahlen. Ich habe ihm Hilfe angeboten und erst die Miete bezahlt, dann habe ich entschieden, die Kinder in mein eigenes Haus aufzunehmen. Ich habe meine Frau gefragt, ob sie damit einverstanden ist. Ich habe sie angerufen, sie war sehr glücklich darüber und hat sofort zugestimmt. Dieser Mann verschwand einfach von der Bildfläche und hat sich nicht weiter darum gekümmert, was mit ihnen passiert. Den Kindern war bewusst, was der mit ihnen machte. Sie waren sehr ängstlich, sie alle hatten Angst vor ihm. Er wollte Mitglied des Vereins werden, dagegen wehrten wir uns, das hätte kein gutes Ende genommen. Die Kinder wurden garantiert von ihm und seinen eigenen Kindern geschlagen…. Anita, genannt Didi, die inzwischen unsere Köchin ist, war auch eine von der Gruppe.

Wie hat deine Umgebung reagiert?

Meine Mitmenschen haben sehr negativ reagiert, sie haben gedacht, ich wolle schnelles Geld machen. Ich hatte auch mit Leuten von der Presse Probleme, dann habe ich ihnen das Heim gezeigt und sie haben sich entschuldigt.
Alle dachten, ich wäre, wenn nicht böse, dann zumindest verrückt. Mir wurde bewusst, wie schwierig die Situation war, mit den vielen Kindern und der wenigen Erfahrung, die ich hatte. Von einer Schneiderfrau in der Nachbarschaft war ich sehr inspiriert, sie hatte fünf Kinder aufgenommen und versorgt – warum sollte ich das nicht auch können? Aber das war ganz anders, als man sich das vorgestellt hat. Auch der Staat hatte mit mir und meinem Kinderheim Schwierigkeiten, weil ich noch keinen offiziellen Verein gegründet hatte. Ist ja verständlich, bei diesem Kinderhandel, der in Nepal leider weit verbreitet ist. Sie wollten mir dann zwar mehr Kinder geben, aber waren nicht bereit, mir irgendwie zu helfen. Ich habe abgelehnt, noch mehr Kinder aufzunehmen. Dann kam ich mit Naresh ins Gespräch, er hat mir von euch erzählt und meinte, dass ihr helfen könntet.
So viele Menschen dachten, dass ich etwas Schlimmes mit den Kindern vorhabe, sie wollten nicht glauben, dass ich ihnen wirklich eine Ausbildung ermöglichen wollte. Inzwischen konnte ich sie vom Gegenteil überzeugen, den Kindern geht es gut bei uns.
Das Kinderheim steht nun genau auf dem Grundstück, wo früher das Feld meiner Mutter war. Ist das nicht schön? Ich habe es vor ein paar Jahren gekauft, und ich bin mir sicher, meine Mutter wäre sehr glücklich darüber, dass dort nun ein Platz für Kinder entstanden ist.